Fatwa Sheikh Al-Qaradawi
02.03.2009 (5. Rabi al-awwal 1430)

Prof.Dr. Yusuf Al-Qaradawi
Einige Geschwister, die sich mit dem Thema Weibliche Beschneidung in der islamischen Welt beschäftigen, haben mich ersucht, eine zusammengefasste Fatwa zu erstellen, um unseren theologischen Standpunkt zu verdeutlichen. Nachfolgend steht die Fatwa und möge der Erfolg uns zur Seite gestanden haben.
Allah sei gelobt, Friede und Segen sei mit seinem Propheten, seinen Gefährten und denen, die Ihm folgen.
Alle theologischen Gutachten im Islam unterliegen den von den Gelehrten genannten vier Rechtsquellen: Koran, Sunna, Konsens und Analogie. Über die Anwendung dieser Rechtshauptquellen hat sich die Mehrheit der Gelehrten in der islamischen Weltgemeinschaft geeinigt. Gefolgt werden diese Quellen von weiteren wie Abwägungen, dem Allgemeinwohl und andere.
Bei der Betrachtung dieser Quellen bezüglich Weiblicher Beschneidung findet man keine einzige Stelle, die die Weibliche Beschneidung vorschreibt oder empfiehlt. Alles, was die Gelehrten hierzu gefunden haben ist, dass diese Handlung ein genehmigter Brauch, der von der Tradition oder dem allgemeinen Nutzen bestimmt wird. Daher stellten wir fest, dass einige islamische Länder die Weibliche Beschneidung praktizieren, während viele islamische Länder ihre Mädchen nicht beschneiden, ohne dass die Rechtsgelehrten dort einen Einwand dagegen haben.
In den meisten islamischen Ländern wird die Beschneidung ungebildeten Frauen überlassen, die nicht das Mindestmaß an medizinischen Voraussetzungen erfüllen und die die erforderlichen Anweisungen nicht beachten. Dies hat erhebliche Schäden verursacht.
Es besteht kein Zweifel daran, dass wir in den Rechtsquellen Koran, Sunna, Konsens und Analogie keinen Hinweis auf Vorschrift oder Empfehlung der Weiblichen Beschneidung gefunden haben. Auch haben wir in den Quellen keinen Nachweis gefunden, der die Beschneidung verbietet oder für verabscheuenswert erklärt. Gelehrte sagen, dass die Beschneidung entweder eine Pflicht, empfehlenswert oder ein angesehener Brauch sei. Dies ist ein Indiz dafür, dass hier eine allgemeine Übereinstimmung auf die Zulässigkeit besteht.
In der islamischen Rechtswissenschaft ist aber bekannt, dass erlaubte Handlungen ganz oder teilweise verboten werden können, wenn nachgewiesen wird, dass aufgrund derer Schäden oder Unheil entstehen. Allah hat den Menschen zugelassen, was ihr Leben erleichtert und ihre Umstände lockert. Allah sagt: "Allah will euch Erleichterung gewähren. Der Mensch ist von Natur aus schwach" (Sure 4, Vers 28).
Es ist in der islamischen Lehre festgelegt, dass auch zugelassene Handlungen untersagt oder gar verboten werden können, wenn damit ein Schaden verbunden ist oder Unheil entsteht. Hier liegt die Entscheidung bei den Experten und Speziallisten.
Da die fachliche Untersuchung durch neutrale Experten und Spezialisten, die nicht ihren eigenen Interessen oder Begehrlichkeiten anderer folgen, bewiesen hat, dass die Weibliche Beschneidung in ihren vorhandenen Formen den Frauen körperliche und psychische Schäden zufügt und das Eheleben der Frauen stark beeinträchtigt, ist es Pflicht, diese Handlung einzustellen, um Ursachen für Unheil und um Schaden zu beenden. So ist es rechtens, unseren Vorgängergelehrten zu widersprechen, da ihre Zeiten die Informationen und Schätzungen, die uns jetzt vorliegen, nicht liefern konnten. Es gilt: Eine Fatwa ändert sich mit der Änderung von Zeit, Ort und Umständen. Hätten die Gelehrten vor uns das erfahren, was wir heute wissen, hätten sie ihren Standpunkt geändert, sie sind immer dem Recht gefolgt.
Basierend auf der obigen Erklärung halten wir fest, dass die jetzt praktizierte Weibliche Beschneidung ohne jegliche gerechtfertigte Begründung eine unerlaubte gar islamisch verbotene Handlung ist. Diese ist als „Änderung der Schöpfung Allahs“ zu betrachten, die ein von Allah verbotenes Werk des Teufels darstellt. Es gibt keine Erlaubnis Gottes diesbezüglich.
Wer sich in diesem Thema vertiefen möchte, kann unsere detaillierten Fatwas im Buch (Zeit-gemäße Fatwas, Band 4) nachlesen.
Der bescheidene Diener Allahs,
gez. Youssef al-Qaradawi
Die Fatwa im Original lesen:
Die Fatwa von Doha (Seite 1)
Die Fatwa von Doha (Seite 2)